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03. June 2021

Feedback geben - mein Erfahrungsbericht

Ein aufkeimender Streit, schlechte Stimmung im Team, ein cholerischer Arbeitskollege. Nur wenige Menschen trauen sich, in solchen Situationen einzugreifen und Feedback zu geben. Ich zähle mich auch dazu. Anstatt mich einzubringen, verfalle ich immer wieder in ein altes Muster: Rückzug und warten bis den Sturm vorüberzieht. Was hat das mit Nexplore zu tun? Fangen wir von vorne an… 

Seit etwas mehr als einem Jahr arbeite ich bei Nexplore. In meinen letzten 25 Berufsjahren waren meine Arbeitgeber hierarchisch organisiert, Holakratie kannte ich nicht. 

In der Holakratie habe ich viele Freiheiten und treffe die meisten Entscheidungen selbst, die mir früher ein Vorgesetzter abgenommen hat. Das bedeutet aber auch, dass niemand mehr meine Probleme im Geschäftsalltag anspricht oder schwierige Situationen schlichtet. Es gibt kein Chef mehr, dem ich unangenehme Gespräche zuschieben kann. Wenn ich nicht selbst auf meine Probleme reagiere, tut es keiner. Damit die Holakratie funktioniert, sind deshalb alle gefordert, Missstände anzusprechen und aktiv die Meinung einzubringen. Eine spannende, aber auch herausfordernde Situation für mich.

Mehr Freiheit bedeutet mehr Verantwortung. Feedback geben ist ein Teil davon.

Kann ich lernen, Feedback zu geben?

Ich beobachte immer wieder, dass aus einem beginnenden Streit, durch die richtigen Worte ein konstruktives Gespräch wird. Genau das, was ich lernen möchte. Für mich ein guter Grund, mich bei den Feedback-Kursen von Nexplore anzumelden. 

Gespannt erwartete ich das erste Training. Wir sind ein kleines, bunt gemischtes Trüppli, das sich für das Training angemeldet hat. Einige sind dabei, von denen ich bisher das Gefühl hatte, dass sie problemlos gutes und ehrliches Feedback geben können.  

Die erste Frage des Kurses "wieso nimmst du hier teil?" will ich schon mit einer Standardantwort beantworten, als mir meine Kolleginnen und Kollegen zuvorkommen. Zu meiner Überraschung nicht mit einer Standard-Aussage...jede Person erzählt offen von ihren persönlichen Problemen mit Feedback.  

Also traue auch ich mich und sage, weshalb ich am Training teilnehme. Niemand schaut schräg und ich werde nach meinen Worten auch nicht zu einer neuen Lohnverhandlung eingeladen. 

Der erste Workshop ist gespickt von sehr persönlichen Aussagen aller Teilnehmenden; ich bin davon geflasht und überfordert zugleich. 

Was ist schwierig am Feedback geben?

Die weiteren Trainings kommen mir ein bisschen vor wie Seelenstriptease. Ich lerne, dass bevor ich einer Person ein Feedback gebe, ihr zuerst sage, wieso ich das nun tue und meine persönliche Wahrnehmung wiedergebe. 

Das "Wieso" sind meistens persönliche Dinge, die Überwindung kosten, sie auszusprechen. Wer sagt schon gerne, dass er Angst hat oder sich im Stich gelassen fühlt?  

Doch daraus entstehen erstaunliche Dinge. Aus schwierigen Themen werden konstruktive Gespräche. Genau das, was ich lernen wollte und mein Ansporn war, den Kurs zu besuchen. 

Und jetzt – alles heile Welt?

Heute, fast ein Jahr später, fällt es mir immer noch sehr schwer Feedback zu geben und kostet mich Überwindung.  

Was sich aber verändert hat, ich reflektiere Situationen viel häufiger: 

Ich ärgere mich nicht mehr über schlecht gelaunte Arbeitskolleginnen und -kollegen. Viel mehr interessiert mich plötzlich, wieso sich eine Person so verhält. Gleichzeitig möchte ich ihr auch gerne sagen, was ihr Verhalten in mir auslöst. Ich bin noch lange keine Expertin im Feedback geben. Aber ich lerne Schritt für Schritt dazu und gewinne neue Erkenntnisse.  

Feedback ist ein wichtiges Instrument. Egal ob man in einer holakratischen Organisation arbeitet oder nicht. Viele aufkeimende Probleme könnten gelöst werden, wenn man Mitarbeitende dazu bewegen kann, ihre Meinung zu äussern, das Gespräch zu suchen. 

Wann hast du das letzte Mal Feedback gegeben?